Friedensmeditation und Tonglen
Als ich zwei Tage nach Ausbruch des Ukrainekrieges eine Friedensmediation anleitete, äusserte ich den Wunsch, dass diese Brutalität uns ins Bewusstsein rufe, wie viele Wunden und Schmerzzentren in unserem Menschheitsleib sind: Syrien, Indonesien, Eritrea, Afghanistan, die Uiguren in China, Tibet, Zerstörung der Lebensgrundlagen von indigenen Völkern…
Am Ende der Meditation kam eine Teilnehmerin auf mich zu: „Russland hast du vergessen“. Beschämend – und doch gleichzeitig war ich beglückt, als sie mir versicherte, dass sie die ganze Stunde hingegeben habe für Russland und insbesondere für Vladimir Putin.
Die Einheit allen Lebens schmecken wir, wenn wir niemanden mehr ausschliessen, wenn wir unser Mitgefühl nicht einschränken sondern mit allem Leben verbunden sitzen mit dem Wunsch: mögen alle Wesen glücklich sein und in Frieden leben.
Konflikte, Kriege, Gewalt und Ungerechtigkeit können unsere Herzen verhärten oder weiten für den , ihn uns wohnenden Frieden. Die grundlegende Frage ist, ob wir uns entscheiden, uns abzutrennen um uns dadurch vermeintlich zu schützen oder ob wir den Mut aufbringen, auch die Abgründe in uns und in der Welt anzunehmen.
Der tibetische Buddhismus hat eine anspruchsvolle und herzöffnende Meditation entwickelt. Unsere Tendenz als Menschen ist, das Schmerzhafte weghaben zu wollen und das Angenehme herbei zu sehnen. Das Tonglen, eine Mitfühlmeditation aus dem Tibet, ermuntert uns gerade für das Gegenteil: Schmerz und Not beim Einatmen ins Herz aufzunehmen und beim Ausatmen Mitgefühl und Wohlwollen auszuströmen.
Weite Herzenskraft ist gefordert in der Praxis des Tonglen:
- Sitzen sie in Ihrer gewohnten Meditationshaltung, verbunden mit dem Atem
- Wenn Sie zur Ruhe gekommen sind gehen Sie in den Kontakt mit Ihrem Herzen
- Sie nehmen in Ihrem Herzen die Qualität von Mitgefühl und Liebe wahr und spüren Sie diese Qualität so intensiv wie möglich
- Wenn Sie verankert sind in dieser Herzensqualität, öffnen Sie sich für eine Not von einem Menschen, von Volksgruppen, anderen Lebewesen, von sich selber…
- Nun atmen Sie das Leiden ein in Ihr Herz, empfangen es dort. Beim Ausatmen lassen Sie Mitgefühl, Wohlwollen, Frieden aus ihrem Herzen in diese Not hinein strömen.
So lange, wie es sich als richtig anfühlt
- Nehmen Sie wahr, wie Ihr Herz zu einem Transformator wird zum Wohle leidender Wesen
- Schliessen Sie die Meditation ab in Dankbarkeit, dass das Leben Ihnen die Möglichkeit schenkt, Liebe, Frieden und Mitgefühl zu empfinden.
Der Weg der Stille und die Ausrichtung unserer Kräfte strahlen in die Welt. Die Energiefelder, die wir nähren, wirken sich aus in die Welt.
Mögen alle Wesen in Frieden, Würde und Geborgenheit leben können und glücklich sein.
Danke für Ihre Verbundenheit in der Stille zum Wohle aller Wesen
Margrit Wenk-Schlegel